Durch den Nationalpark Coto de Doñana, südwestlich von Sevilla, gibt es entlang der Küste keine Straße, so nehmen wir die E1/A49 geradewegs westwärts über Huelva zur portugiesischen Grenze. Blühender Oleander verabschiedet uns als farbenfrohes Spalier aus Spanien.
Mit der Überquerung des Rio Guadiana, dem hier im Süden der Algarve die Grenze folgt, sind wir in Portugal, dem westlichsten Land unserer Reise, angekommen. Und mit diesem Grenzübertritt haben wir einmal mehr eine Zeitzonengrenze passiert – diesmal in die andere Richtung und sind nun unserer heimischen Zeit eine Stunde voraus.
Bis ans Cabo de Santa Maria sind es wenige Kilometer und wir finden in Faro unter dem wachsamen Auge des riesigen Seepferdchens einen sicheren Platz für die Nacht.
Sicher… noch immer hinter hohem Zaun, mit überwachtem Eingang und persönlicher Chipkarte für eben diesen. Noch immer ist also auch beim Einkaufen, Tanken oder Parken erhöhte Vorsicht angesagt – ich empfinde das weder schön noch als entspannten Urlaub, leider ist es wohl auch hier noch dringend nötig – war Jörg doch schon zweimal in Südwesteuropa mit seinem LKW nachts überfallen, betäubt und ausgeraubt worden…
Lasst mich von schöneren Eindrücken reden:
Denn noch ein Unterschied ist auch hier wieder deutlich zu spüren. Eine herrlich kühle Brise vom Meer kommend macht die 31 Grad recht angenehm. Der Atlantik ist, wie schon seit Tarifa, mit 19 Grad Wassertemperatur deutlich kühler als das Mittelmeer, da hilft nur etwas schneller schwimmen… 😉
Doch der traumhafte Sandstrand entlang der flachen Landzunge, auf dem der Stellplatz liegt, entschädigt großzügig.
Unter tiefblauem Himmel und strahlendem Sonnenschein folgen wir heute der Südküste der Algarve. Wir sind auf dem Weg ins geschichtsträchtige Sagres und zum Cabo de São Vicente, das mit der benachbarten Ponta de Sagres jenseits der malerischen Bucht und ihrer bizarren Sandsteinklippen die Südwestspitze des europäischen Festlandes bildet.
Unsere Temperaturanzeige muss kaputt sein, sie zeigt 23,5 Grad…
Vom offenen Atlantik weht eine steife Brise über das Plateau auf der Steilküste, zerzaust die Möwen – und mich – und ist echt entspannend!
Am mittelalterlichen Fort auf der Ponta de Sagres tummelt sich ein bunt durcheinander wusselnder Ameisenhaufen von Touristen, die die drei Reisebusse ausgespuckt haben – wir wünschen euch viel Spaß und genießen währenddessen in aller Ruhe diese unglaublich satten, warmen Sonnenfarben des Sandsteins entlang der südlichen Steilküste. Bis zu 70 Meter fallen hier in der weiten Bucht die bunten Kliffs hinab in Meer, der kleine, rote Praia do Tonel bietet Surfern und Kitern eine ideale Ausgangsbasis. Dieser beständige Wind, der keine hohe Vegetation auf dem Plateau zulässt, die ewig am Kliff nagenden Wellen und rauen Wetter haben beeindruckende Skulpturen aus dem weichen Gestein modeliert – ich genieße eine ausgedehnte Kamerapirsch entlang der Abbruchkante mit ihren immer neuen, faszinierenden Ausblicken…
Stunden später machen wir uns auf zum Farol do Cabo de São Vicente.
Im nordwestlichen Teil der Bucht löst hartes, graues Gestein den sonnig bunten Sandstein ab. Schroff und kantig fallen die Klippen hier ins Meer, sehen aus, wie für die Ewigkeit gemacht, doch am ehemaligen Kloster São Vicente de Fora fällt mehr und mehr Gestein den angreifenden Wogen zum Opfer und bricht unter dem Kloster weg – Teile der Gebäude sind bereits in die kleine Seitenbucht abgestürzt…
Das Leuchtfeuer ist leider derzeit geschlossen, aber die offene Pforte gewährt einen schönen Blick auf diesen historischen Turm. Auf dem südwestlichsten Punkt des europäischen Festlandes gelegen, weist er seit 1848 den Schiffen einen sicheren Weg um die vorgelagerten Riffe. Später, 1908, wurde er um gute 5 Meter erhöht und mit einer besseren Linse ausgestattet, seither streicht sein Lichtkegel 32 Seemeilen hinaus über den Atlantik durch die Nacht. Er gilt als der lichtstärkste Leuchtturm Europas.
Auf dem Rückweg müssen wir uns unbedingt an der ‚Caravana de Fish and Chips‘ direkt an der Straße eine letzte Bratwurst vor Amerika gönnen. Okay, MB ist keine Amphibienfahrzeug, wir bleiben auf dem Festland, aber die Idee ist cool und diese Bratwurst überrascht uns als leckere original Thüringer Roster!, in einer Semmel, wie sich das gehört. – Und dafür bekommen wir sogar ein Zertifikat. 🙂
Auf meine Nachfrage erklärt die portugiesische Verkäuferin, dass ein hierher ausgewanderter thüringer Metzger sie mit dieser Delikatesse versorgt…
Zum Cabo de São Vicente
Von nun an führt unsere Reise entlang der schroffen Steilküsten Portugals gen Norden. Wir nehmen die kleinsten Sträßchen durch malerische Küstenorte und entdecken dabei manch Interessantes wie dieses – wohl private – Wildtiergehege mit einer ebenso wilden Mischung von Tieren vieler Kontinente, die sich diese weite Fläche friedlich teilen.
Bald haben wir abends wieder lange Sweatshirts und Jeans an und unsere Füße stecken in Socken – beim gemütlich Sitzen kühlt der starke Atlantikwind dann doch aus. Aber, Leute, vor drei Tagen hatten wir noch 20 Grad mehr – und das über lange Wochen…
Tagsüber ist es an der portugiesischen Küste angenehm warm statt brütend heiß, es weht ein steter Wind vom Atlantik und hilft meinem Kreislauf wieder rund zu laufen, ich habe auch keine permanenten Kopfschmerzen mehr – ich liebe Portugal!
Überall, wo es uns an der Küste zu voll ist, weichen wir ins Hinterland mit seinen weißen Sonnendörfern in den kargen Hügeln aus.
Unser nächstes Ziel ist das Cabo Sardão, berühmt für seine in den steilen Klippen brütenden Störche – weltweit der einzig bekannte Ort, an dem sich die stolzen Vögel so exponiert zwischen Wind und Wogen niedergelassen haben!
Heute zeigt sich der riesige Atlantik als friedlich heranrollendes Meer. Weiße Schaumkronen umspülen den Brandungssaum und heben sich malerisch von den türkisblauen Wogen ab. Hart gezackt fallen die dunklen Klippen steil ins Meer – und auf manch einem schwindelerregenden Vorsprung thront ein Nest, oft genug mit seinen stolzen Erbauern darauf. Gelassen stehen sie heute auf einem Bein und scheinen diese fantastische Aussicht zu genießen, der stete, kräftige Seewind stört sie wohl nicht, doch ich möchte mir diese Nistplätze garnicht bei Sturm vorstellen…
Auf unserer Weiterfahrt bekommen wir dann eine Ahnung, was die Störche zum Nisten über dem Meer bewogen hat…
Wir sind auf der Rota de Vinhos unterwegs, sehen Störche an den unglaublichsten Stellen brüten und spätestens im von Störchen übervölkerten Comporta sind wir sicher, dass ihnen an Land einfach die Nistplätze ausgegangen sind!
Weiter nordwärts fahren wir wieder an einem Korkeichenhain entlang, sie sind weit verbreitet in Portugal, ist das Land doch der größte Produzent für Kork.
Typisch stehen Bäume verschiedenen Alters in dem lichten Wäldchen, die Kennziffern weiß auf den geschälten Stämmen notiert, geben die letzte Ziffer des Schäljahres an – also beispielsweise 3 für 2023.
Wir meiden das verkehrsreiche Getümmel um Lisboa und sehen uns lieber die älteste Korkeiche weltweit in Águas de Moura an. – Riesig ist sie. Steht still und erhaben im Mittagssonnenschein, unter ihrem ausladenden Blätterdach ein Spiel aus grellen Sonnenflecken im dunklen Schatten. Herrlich kühl ist es unter ihrem Schutz.
Gepflanzt wurde sie 1783. Mittlerweile beträgt ihr Stammumfang mehr als 4 Meter. 14 Meter reichen die malerisch gewachsenen Äste hinauf in den blauen Himmel Portugals, manch einer davon hat die Ausmaße eines stattlichen Baumstammes. An der breitesten Stelle beträgt der Durchmesser der Krone um die 30 Meter. – Ein Monument von einem Baum und völlig zurecht 2018 zum Baum des Jahres gekürt!
In mehr als 100 Jahren Erntezeit, die erste Ernte ist frühestens nach 25 Jahren möglich, sind aus ihrer Rinde etwa 1 Million Weinkorken gewonnen worden…
Korkeichen sind die Klassiker unter den Bäumen Portugals und haben den Vorteil, dass sie bei Waldbränden kaum verletzt werden, da nur ihre Korkschicht oberflächlich verkohlt. Traditionell wurden sie als Feuerschutz um portugiesische Dörfer gepflanzt und schützten diese.
Abends genießen wir mit unserem Feierabendbier als Sundowner den Sonnenuntergang auf den Steilklippen am Kap von Peniche. Dieses kleine Kap ragt weit in den Atlantik hinaus – mit herrlichem Panoramablick!
Wir hatten Glück und haben noch einen Stellplatz auf dem riesigen Campingplatz ergattert, das ganze Kap ist furchtbar zugebaut, doch wenn man all dem den Rücken kehrt und ausblendet, liegt einem der Atlantik buchstäblich zu Füßen…
Unser Weg führt uns weiter ins Surferparadies Nazaré, doch, im Sommer besticht der Atlantik mit seinen herrlichen Türkis- und Blautönen – zahm, sanft heranrollend und weit, weit weg von diesen spektakulären Riesenwellen!
Am Meeresgrund in Richtung der Bucht zwängt ein tiefer Trichter im flacher werdenden Meeresboden die heranrollenden Wogen immer mehr ein, so dass sich die Wassermassen zu haushohen Wellen auftürmen und tosend überschlagen. – Ab Herbst…
Wir strolchen entlang der Küste gen Norden, entdecken ein Sandsteinkliff mit blendend weißen Sand, so grell weiß, dass wir wirklich erst unsere Augen zukneifen müssen, um vernünftig sehen zu können. Der starke Wind riecht nach Meer und unsere Blicke können weit hinaus ins endlose Blau schweifen…
Auf dem Weg von den Klippen zurück stimmt etwas nicht mit MB, er läuft nur im Notlaufprogramm. Wenn wir ihn neu starten geht es wieder für etliche Kilometer. In Figueira da Foz gibt es eine Nutzfahrzeugwerkstatt auch für die mit dem Sternchen. Sie schließt um 19.00 Uhr, das ist zu schaffen. Wir sind 18.00 Uhr da, der Empfang ist besetzt, doch in der Werkstatt schon niemand mehr. Freitagabend. Montag geht es weiter…
In einem kleinen Naturschutzgebiet gibt es einen immer schmaler werdenden Weg zum Dünenparkplatz, bald darauf gehen wir durch weite Dünenfelder mit stahlblauen Disteln zum herrlichen Sandstrand, an dem uns ein neugieriger Sandläufer, eine iberische Eidechsenart, am Ende des Bohlenweges begegnet. Der heftig gewordene Wind peitscht den Sand über den Strand und zaust uns in den Haaren.
Nachts stehen wir in der Nähe der Stadt auf einem Schotterplatz – und ich gehe einem äußerst zweifelhaften „Vergnügen“ nach, nehme unsere kompletten Vorräte akribisch auseinander, weil eben kurz vorm Frühstück auf den frisch aus dem Schapp geholten Brotbrettern quietschvergnügt kleine Miniminiminikäfer rumspazierten! – Hab stundenlang den Putzteufel gegeben, hab sie alle gekillt und rausgeschmissen – hoffentlich alle…
Nachdem MB seit der Werkstatt nicht wieder ins Notlaufprogramm ging, planen wir unseren Tag mal ganz normal – mit einem wachsamen Auge und Ohr für unseren Reisekameraden – und gehen weiter Richtung Norden.
Kurz hinter Figueira da Foz ragt das Cabo Mondego mit bizarren Ausläufern der Steilküste hinaus in den Atlantik und lässt die Großstadt schnell vergessen. Wie die Leisten vieler Krokodile ziehen sich die ausgewaschenen Felsadern aus dem flachen Wasser schnurgerade vom Strand ins Meer. Darüber thront das historische Farol do Cabo Mondego auf den Klippen, die das Leuchtfeuer des 15 Meter hohen Turmes auf knapp hundert Meter erhöhen und so seinen Lichtkegel über 28 Seemeilen hinaus auf den Atlantik tragen. Dieser massiv gemauerte Turm mit seinen hübschen Nebengebäuden wurde 1922 erbaut und löste seinen Vorgänger von 1857 ab.
Wir nehmen den heimeligen Weg über den Bergrücken hinterm Leuchtfeuer zurück zur N 109 und finden uns in einem beeindruckenden Eukalyptuswald wieder. Jörg fühlt sich spontan nach Australien zurückversetzt…
Lauschig still ist es in diesem Wald, die Blätter rascheln leise im Wind, manchmal huscht eine Eidechse durchs dürre Laub am Boden. Gut zu sehen sind hier die unterschiedlichen Blattformen an einem Baum. An frisch ausgetriebenen Ästen, zum Beispiel nach einem Feuer, das der Wind schnell weitertrieb, sind die Blättchen rundlich in einem schönen blaugrün, ältere hingegen länglich und graugrün.
Eukalyptus ist weit verbreitet in den Wäldern hier, der schnellwachsende Baum wurde Anfang des 20. Jahrhunderts aus wirtschaftlichen Gründen teils als riesige Monokulturen angepflanzt.
Die tiefdunkle Schattenseite: Eukalyptus ist durch seine ätherischen Oele hoch entzündlich, befeuert Waldbrände geradezu, so dass sie sich rasend schnell über riesige Flächen ausbreiten. Auch, weil die Eukalyptusbäume die Böden durch ihren hohen Wasserbedarf oberflächlich ausdörren und ihr Laub jenseits von Australien kein einziges Tier frisst. Also sammelt sich das dörre Laub auf dem ausgetrockneten Grund und gibt dem Feuer weiter Vorschub…
Im Umfeld von Figaeira da Foz fahren wir kilometerweit durch nahezu kahle Landschaften und wissen erst nicht wirklich etwas damit anzufangen. Diese tiefen, geraden Rillen ziehen sich über Hügel und Ebenen und sind definitiv menschgemacht, aber warum?
Doch als wir später die halbverkohlten und abgebrannten Pinien sehen, wird uns klar, dass dies Flächen in verschiedenen Stadien der Wiederaufforstung sind, nachdem es hier vor Jahren verheerende Waldbrände gab.
Denn der zweite Baum mit ganz ähnlicher Historie wie Eukalyptus ist die Pinie. Auch sie als flächige Monokultur angepflanzt, auch sie voller ätherischer Oele – mit den gleichen folgenschweren Schattenseiten…
Aveiro, wieder einen Schritt nördlicher, liegt an einer langgestreckten Lagune, die vorgelagerte Insel und Halbinseln sind touristisch erschlossen, doch auf eine angenehme Art. An der Strandpromenade von Gafanha da Nazaré sind historische Gebäude schön saniert und neue stilvoll in alter Tradition dazugestellt.
Im Hafen von Torriera liegen bunte Fischerboote, die alle noch auf der Lagune in Fahrt sind, auch außerhalb sehen wir diese traditionellen Schiffchen am Strand vertäut.
Cortegaça liegt wenig südlich von Porto. Die Kirche dort ist komplett mit den in Portugal traditionellen blauen Kacheln verkleidet – und sieht einfach nur toll aus! Nebenan auf ihrem historischen Cementario dominiert in der Tat Zement, nicht umsonst werden die Friedhöfe Portugals so genannt.
Gestern hat MB nur ein einziges Mal in den Notlauf geschaltet und läuft seither wieder einwandfrei, so dass wir achtsam weiter planen.
Nachdem wir heute entlang dicht besiedelter Küstenabschnitte um Porto ganz in den Norden Portugals gefahren sind, hatten wir Glück mit einer letzten, schönen Nebenstrecke dicht entlang des Atlantik und auch jetzt mit dem Campingplatz, der ruhig und klein im Mündungsbereich des Minho, des Grenzflusses zwischen Portugal und Spanien, einen Flusstrand und einen weiten Atlantikstrand bietet. – Und wir beschließen, diese tolle Möglichkeit einen Tag länger zu genießen…
Der geschützte Binnenstrand ist überlaufen und temperamentvoll laut, unser Atlantikstrand ist heute durch den Starkwind leergefegt, das Wasser hat zwar nur noch 16 Grad nach dem Regen, doch ein endloser Ozean und ein menschenleerer Strand… Urlaub pur!
Doch dann heißt es Abschiednehmen von diesem wunderschönen Land, wir lassen das portugiesische Ufer des Rio Minho hinter uns, überqueren den breiten Grenzfluss und kommen am spanischen Ufer des Río Miño wieder zurück nach Spanien.