Gran Bosco & Briacon & Tunnel du Parpaillon, 2643m & Highlander-Camp im Tal der Murmeltiere = Ubaye-Tal, 2062m
Uns steht der Sinn nach einem original französischen Frühstück: Heiße Croissants, duftender Kaffee…
…und frische Baguettes für’s Grillen heute Abend sind auch alles andere, als eine schlechte Idee!
Also fahren wir rüber nach Frankreich.
Marion und Martin wissen eine landschaftlich schöne Strecke – wenn auch auf Asphalt.
Über Tunnel und Serpentinen geht es zum Col de l’Echelle auf 1779m, der schon in Frankreich liegt. Zwischen ihm und Briacon erstreckt sich die bewaldete Hochebene Vallée de la Clarée mit einer mittlerweile ganz ungewohnt geraden Straße. Wir fahren lange durch lichte Lärchen- und Kieferwälder. Später zeigt der kahle Fels über den Bäumen wieder intensive Farbspiele. Petrus meint es heute gut mit uns und malt darüber einen azurblauen Himmel, der alle Farben zum Leuchten bringt.
Über einen letzten Bergrücken herabkommend, verlassen wir den nun dichteren Wald. Vor uns breitet sich über fünf Hügel der historische Teil Briacons mit diversen Festungsanlagen aus. Rund um die ehemalige Stiftskirche Notre Dame drängen sich dicht an dicht Häuser in den trutzigen Festungsmauern. Ihre fröhlich bunten Farben stehen als lebendiger Kontrast gegen das massive, graue Bollwerk und die in den Fels gesprengte Festung über ihnen. Eine der Zitadellen gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Am Fuße der Hügel hat sich die neue Unterstadt ausgebreitet.
Wir genießen das leckere französische Gebäck, nutzen die Chance, unsere Tanks aufzufüllen und entdecken dabei eine, der entspannten französischen Lebensart entsprechende, Autoreparatur – mit dem ebenso typisch französischen Feingefühl für Ästhetik…
Dann sind wir aber bald wieder auf dem Weg zum Parpaillon – es liegt noch einiges an Strecke vor uns!
Von Briacon aus geht es immerzu süd-südwestlich auf kleinen Sträßchen durch sehenswerte Landschaft bis nach St. André d’Embrun. Hier biegen wir Richtung Crévoux ab und folgen der anfangs noch geteerten Strecke. Doch bald schon windet sie sich mit Schotterserpentinen durch die herbstlichen Almen hinauf. Die Steigungen sind moderat, der Weg erstaunlich breit – die ganze Nordwest-Rampe lässt sich entspannt fahren.
Bei einer Herde dieser typisch sattbraunen Bergkühe stoppen wir. Von den friedlichen, bildhübschen Gesichtern möchten Marion und ich ein paar Fotos haben – tunlichst vom Auto aus. Mr Osborne ist wenig amüsiert über die Aufmerksamkeit, die wir seinen Mädels zollen! Er bleibt friedlich, doch er lässt uns nicht aus den Augen, stiert uns unverwandt an…
Gegen Ende der Strecke quert ein Bachlauf mit seinem groben Geröllbett den Weg. Jetzt ist die Passage kein Problem, doch nach Starkregen wird er oft unpassierbar, wie wir erfahren.
Weit oberhalb der Baumgrenze verschleiert dann leider Dunst die herrlichen Panoramen und lässt sie nur erahnen.
Klar, halten wir auf dem geschotterten Platz vorm Tunnel an und sehen uns erst einmal um!
Panorama steht heute eben nicht in Petrus‘ Programm, doch die Weite ist dennoch beeindruckend!
Wir sind wieder einmal an der Vegetationsgrenze angelangt: Unter uns die ockerfarbenen Hochalmen und über dem historischen Tunnel der Parpaillon – ein riesiger Schotterhaufen…
Dass der Gipfel tatsächlich aus massivem Fels besteht, zeigt dann ein Blick in die schwarze Tunnelröhre. Anfangs gemauert, wohl wegen des sonst nachrutschenden Schotters, ist der weitaus größere Mittelteil einfach so grob behauen belassen, wie die französische Armee sich von 1891 bis 1901 hindurchgearbeitet hat. Bis die Wege auf beiden Rampen tatsächlich befahrbar waren, dauerte es noch einmal etwa 10 Jahre, wobei der Ursprung der Strecke bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht.
Den Tunnel beschließen im Winter auf beiden Seiten massive Stahltore, auch sie sollen vor den Steinmassen schützen – und natürlich den Schnee abhalten! Fast in jedem Frühjahr müssen Geröll-Lawinen beiseite geräumt werden, vor den Toren, aber auch auf – vor allem – der Südost-Rampe.
Der Parpaillon soll mit 2643 Metern der höchste Tunnel Europas sein!
Die gut 500m durch die Röhre sind dann spannend: Kein Licht außer unseren Scheinwerfern. Die scharfkantigen Wände nur eine Armeslänge entfernt, dafür mächtige, tiefgründige Pfützen, die bis weit in den Hochsommer hinein gefroren bleiben können. Unsere sind einfach nur nass, schlammig und mit schlüpfrigem Untergrund – ein waschechter Offroad-Tunnel, grins!
Strömender Regen nimmt uns auf der Südost-Seite in Empfang. Der Himmel ist grau verhangen, das Wasser steht in großen Pfützen auf dem lehmigen Schotterplatz vor den Mauerresten einer Ruine und läuft dann mit uns auf der schmalen Piste hinunter dem Tal zu.
Eng windet sich der steinige Pfad an der steilen Bergflanke entlang, doch seine ausgefahrenen Spuren scheinen ein gutes Bachbett zu sein – das Wasser bleibt uns treu, auch als es später aufhört zu regnen.
Je tiefer wir ins Ubaye-Tal hinabkommen, desto lehmiger und rutschiger wird der Untergrund. Hier ist Vorsicht angesagt!
Später dann sichert eine festverwachsene Grasnarbe den weiteren Abstieg.
Nachdem der Regen endlich über die Gipfel abzieht, geben die Wolken den Blick auf ein einsames, enges Tal frei – und manches Mal lässt sich sogar ein Sonnenstrahl sehen.
Weit fallen steile Bergflanken bis auf den tief zwischen ihnen eingekerbten Talgrund hinab. Immer wieder hat abrutschendes Geröll kahle Narben in die spärlichen Almen gerissen, war der Weg verschüttet und wurde, wie hier an der Bachfurt, wieder freigeräumt. Wir haben Glück und müssen nicht schaufeln…
Weiter Richtung Südosten öffnet sich das Tal zu einem langzogenen, flachen Kessel, in den ein jetzt flacher Bach ordentlich Geröll geschwemmt hat. Er kommt von den mächtigen Abhängen im Norden und durchzieht das gesamte Tal.
Als wir den Talgrund erreichen, lassen immer wieder Sonnenstrahlen die Hänge in warmen Herbsttönen aufleuchten. Wolkenfetzen treiben über den Himmel, scheuchen ihre Schatten über die Berghänge hinauf und wir, wir werden wieder verpfiffen. – Reell verpfiffen!
Willkommen im Tal der Murmeltiere!
Marion & Martin haben im Tal eine Überraschung für uns: Unser Camp liegt im Schutze der Ruine eines aufgegebenen Gehöfts. Die Feuerschutzmauer zwischen Wohnhaus und Stall hat der Zeit getrotzt und bietet uns jetzt Windschutz. Der Rest der halbverfallenen Mauern schafft ein Gefühl, wie in den Highlands…
Wieder solch ein wildromantischer Ort, der das Kind wie den Abenteurer in uns gleichermaßen begeistert!
Rasch sind die Zelte aufgebaut und unsere Männer kümmern sich um’s Feuerholz.
Einladend liegt da ein Baumstamm am Rand – aber der hat es in sich!
Das langsame Wachstum des Holzes hier oben muss es wohl derart hart ausreifen lassen, dass man sich im wahrsten Sinne des Wortes die Zähne daran ausbeißen könnte – die des Sägeblattes. Jörg und Martin plagen sich mannhaft, um dem Stamm ein paar Scheiben und daraus dann Scheite als Feuerholz abzutrotzen!
Das Schauspiel ungewohnt blauer Flammen entschädigt uns während des Abends dafür…
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Unsere Strecke zum altehrwürdigen Tunnel du Parpaillon: Startpunkt der Karte ist das Sträßchen aus Richtung Crevoux kommend, der erste Wegpunkt markiert den Almweg auf der Nord-West-Rampe, der zweite den Eingang am mächtigen Portal des Tunnels. Der dritte Wegpunkt kennzeichnet diese zutiefst beeindruckende Abfahrt über die Süd-Ost-Rampe und der Zielpunkt zeigt die Stelle unseres Highlander-Camps im Ubaye-Tal – im Tal der Murmeltiere!