Strahlender Sonnenschein lässt die intensiven Farben der galicischen Atlantikküste leuchten, tiefblau erstreckt sich das Meer bis zum Horizont, gefühlt endlos. Von weit dort draußen bringt der stete Seewind seine angenehme Kühle zu uns – im Inland sind für diese Woche bis 45° angesagt – , aber wir versuchen wieder, mit den kleinstmöglichen Sträßchen dicht dieser wildromantischen Küstenlinie und ihrem verlässlichen Wind zu folgen.
Wir sind auf dem Weg zum berühmten Cabo Finisterre, der westlichsten Landmarke Spaniens. Nach dem herrlichen Wetter gestern tasten wir uns heute durch dichte Nebelbänke und Regen Richtung Norden. Die kleine Straße hätte sicher etliche schöne Ausblicke zu bieten…
Selbst das Leuchtfeuer am Kap versteckt sich in diesem undurchdringlichen Grau, noch nicht einmal vom Stellplatz auf den steilen Klippen über der kleinen Bucht gegenüber ist es auszumachen.
Aber heute Abend soll der Wind die Wolken aufreißen – wir hoffen darauf!
Und tatsächlich enthüllt sich dann das Meer zu Füßen der Felsen und wir bekommen endlich Bilder zum steten Rauschen der Brandung. Später bricht die Sonne durch die Wolken, gibt die Sicht auf das alte Leuchtfeuer frei und dann verzaubert uns diese Stimmung, dieser Ort als die glühende Sonne in der Unendlichkeit des Atlantik versinkt und mit ihrem letzten, weichen Licht die Klippen vergoldet…
Am Morgen wieder Sonne, Wind und Meer so weit das Auge reicht, bei dieser herrlichen Aussicht genießen wir ein ausgedehntes Frühstück, bevor wir hinüber zum Leuchtfeuer pilgern – diese letzte Strecke dann in der Tat zu Fuß! 😉
Der achteckige Turm über dem stattlichen, weißen Gebäude ist weltberühmt, warnt einerseits – schon seit 1853 – vor dieser stark zerklüfteten Küstenlinie mit ihren berühmt-berüchtigten Klippen, Inseln und trügerischen Nebeln. Andererseits ranken sich seit Menschengedenken phantasievolle Mythen um dieses spektakuläre Felskap, das lange Zeit als Ende der Welt galt.
Vielleicht betrachten deshalb viele Jakobspilger das Kap als reales Ende des Jakobsweges und verbrennen hier ihre Kleider, bevor sie sich Richtung Heimat wenden – die Mythen leben fort…
Um A Coruña wählen wir eine Strecke im Hinterland, um dem Ballungsgebiet an der Küste zu entgehen und sehen dabei hin und wieder Hórreos, die historischen Maisspeicher Galiciens.
In Orten oft erhöht auf Podesten und Mauern platziert, schützen an Feldrändern nur die hohen Steinpfeiler und Mäusesteine vor gefräßigen Plünderern.
Hier am Atlantik ist die Luftfeuchtigkeit so hoch, dass der Mais ohne permanente Durchlüftung verfaulen würde. Die Lüftungsschlitze sind so eng, dass kein Vogel an die Vorräte herankommen kann und die hohen Stützpfeiler mit den weit überstehenden Mäusesteinen als oberen Abschluss kann kein Nager überwinden – solange sie nicht überwuchert sind…
An der Biskaya treffen wir wieder auf die Küste, die hier Mar Cantábrico als Randmeer des Atlantik genannt wird.
Auch diese Küstenlinie ist von heftigen Stürmen und heranrollenden Wogen zernagt. Schroffe Sandsteinklippen fassen kleine Buchten ein, in deren flachem Wasser sich die Wellen malerische an klobigen Felsen brechen.
Wir nehmen Euch mit auf einen romantischen Spaziergang am Meeresgrund.
Mit einsetzender Ebbe ziehen sich die tiefblauen Wogen von den Klippen zurück, immer weiter draußen strahlt die weiße Gischt auf, wenn sie gegen Steinbrocken und Felsen anrollt. Wir laufen barfuß über den noch feuchten Sand und erkunden die Meeresfauna, die die bizarr ausgewaschenen Felsformationen überzieht und Gezeitenwechsel wie Stürmen oder Sonnenhitze trotzen muss. Wir lassen uns Zeit, bis später das goldenen Licht der Abendsonne den gelben Sandstein in warmen Farben leuchten lässt – wunderschön…
Heute soll es einen großen Schritt gen Osten gehen und dieser Schritt fällt dann wetterbedingt größer aus als geplant. Nachdem wir den schönen Strand im Osten Galiciens bei Sonnenschein verlassen haben, trübt sich der Himmel immer weiter ein und bald fahren wir nur noch in dichten Wolken. Mit ihnen durchqueren wir ganz Asturien entlang seiner heute so regengrauen Küste und finden abends aber in Cantabrien einen netten, kleinen Platz direkt über den Klippen. Das Besondere hier ist, dass die Gegend um Llanes zwischen der Küste der Biskaya und den Ausläufern des Picos de Europa liegt. Wir haben vor uns die Weite des offenen Meeres und hinter uns die bis zu 2650 Meter hohen Gipfel des Nationalparks. – Hoffen wir morgen auf bessere Sicht!
… und dann patrouilliert doch abends mehr als eine halbe Stunde eine größere Schule Delfine draußen – direkt vor den Klippen, auf denen wir stehen! 🙂
Wir folgen weiter der Küste, die hier bis zum Meer, zu den steilen Abbrüchen dicht bewaldet ist und wenige Ausblicke freigibt. Auch das Wetter ist noch immer nicht auf unserer Seite, aber wir sehen schöne Orte, wie das malerische San Vicente de la Barquera.
Von einer kleinen Parkbucht oberhalb des Ortes bietet sich dieser herrliche Blick auf den historischen Fischerort an der Mündung der Gandarilla mit ihren großen Schwemmflächen, den Marisma de Rubín.
Dort, in dieser kleinen Parkbucht, machen wir unsere Mittagspause. Währenddessen verteilt ein Laster in der Kurve hinter uns mit lautem Poltern seine großen Gasflaschen, zum Glück sprengt er damit weder uns, noch die alte Festung unten am Fluss – wir waren dichter dran…
Für die kleine Pilgerkirche am Meer auf dem zweiten Foto muss man online Tickets ziehen, dann 2000 Stufen die Steilküste abwärts und die Klippen drüben wieder aufwärts steigen und sich schon auf dem Parkplatz an der Schlange anstellen… – nein, muss man nicht… Wir fahren weiter.
Das war nach so vielen schönen Küstenbildern, die wir gesehen haben, nach so vielen schönen Eindrücken und Erlebnissen vorerst unser letzter Tag am Atlantik. Hier soll es noch tagelang regnen, also nehmen wir die Autobahn nach Pamplona, die Autovía de Montaña, ab da Richtung Zaragoza – morgen wollen wir die Bardenas Reales erkunden. Nach all dem Regen wird es Zeit, dass MB eine neue Schicht Wüstenstaub abkriegt…
Und sie ist echt beeindruckend, die Bardenas Reales! Stellt sich trotz Halbwüste im trockenen nördlichen Teil, der Bardena Blanca, weit mehr als Wüste dar, als die Tabernas tief im Süden Spaniens.
Mit erfreulichen 38° Celsius empfängt sie uns heute, gestern waren hier noch 45°…
Nach einem unverhofft blütenreichen Empfang am Nationalparkhaus fahren wir schon einmal einen ersten Rundkurs – seit langem neugierig auf dieses außergewöhnliche Fleckchen Europa.
Regen hat in langen Jahrhunderten das ausgewaschene Sand-Gips-Tongestein in spektakuläre Skulpturen verwandelt, zwangsläufig kommt einem der Gedanke an Arizona. Die bizarrsten dieser Felsformationen, Cabezos genannt, haben wohlklingende spanische Namen wie Las Cortinillas oder El Fraile. Sonnig warme Farben durchziehen in breiten Bändern die Felsen und Sandflächen und verstärken das Gefühl von sonnendurchfluteter Wüste. In der spärlichen Vegetation herrschen blaugraue Töne bei den hartlaubigen Gewächsen vor. Auch hier sind Bienenfresser unterwegs, doch von den anderen Tieren in diesem außergewöhnlichen Naturpark sehen wir leider nichts. Tagsüber sind doch etliche Autos mit uns unterwegs und mit Sonnenuntergang muss man diesen Naturpark verlassen…
Deshalb stellen wir uns für die Nacht mit unserer Wohnhöhle vor die Wohnhöhlen von Arquedas. Noch bis in die 60er Jahre waren sie bewohnt und hatten wohl ein erstaunlich moderates Innenklima, so beispielsweise 18 Grad in den hinteren Schlafräumen, auch im heißen Sommer.
Morgens habe ich einen vorsichtigen Blick in diese Höhlen geworfen, sie sind nun auch ein ideal trocken-warmer Rückzugsbereich für alles mögliche Getier. Erstaunt war ich über die praktischen Ideen im Inneren – aber, seht selbst:
Im südlich gelegenen, grüneren Teil, der Bardena Negra, verliert sich das Wüstengefühl. Das typische Blaugraugrün geht über in das saftige Grün der Laubbäume. Pinien spenden Schatten, Äcker und Wälder wechseln sich ab. Doch direkt am Rande der Bardena Blanca gedeiht der unter Feinschmeckern berühmte Navarra-Reis – und in diesen saftig grünen Feldern tummeln sich unzählige Störche und Reiher – welch ein Kontrast!
Wir fahren auf das Hochplateau der Bardena Negra. Von deren felsiger Abbruchkante gibt es weite Panoramablicke über die bewirtschaftete Ebene tief unter uns.
Für uns geht es nun weiter über kleine Landstraßen ostwärts in die Pyrenäen.
Dies grüne Naturparadies mit seinen weiten, kühlen Wäldern, mit den bunten Blumenwiesen voller Insekten und seinen idyllischen Bergpanoramen begeistert uns. Mal kreist ein Gänsegeier minutenlang über uns, mal ist der blaue Himmel voller Störche, die sich vom Aufwind tragen lassen, ein roter Milan steht rüttelnd über der Blumenwiese, dann wieder zieht einer der mächtigen Mönchsgeier seine Kreise über uns…
Wir klettern heute von den spanischen Pirineos mit sehenswerten, historischen Bergstädtchen wie Sádaba oder Sos del Rey Católico über die kahlen Bergkämme in die französischen Pyrénées-Atlantiques und lassen uns Zeit für diese wunderbare Naturlandschaft.
Am Berg der Gänsegeier ist ein Fotostop für uns Pflicht! Diese riesigen Vögel in Ruhe aus dieser Nähe beobachten zu können, ist ein unglaubliches Erlebnis!
Sie sind weder schön noch majestätisch, doch mit rund einem Meter Körpergröße und bis zu 2,70 Meter Flügelspannweite beeindruckend groß und überaus nützlich.
Als wir sie beobachten, kommen noch Nachzügler zum Treff auf die kahle Bergkuppe, gelassen sondieren sie fortwährend die Täler um ihren Hochsitz herum. Bis sich dann einer nach dem anderen, wieder ganz ohne Eile, wieder in die Lüfte erhebt – schon echt beeindruckend!
Über den 1327 Meter hohen Bergpass Col Bagargui wechseln wir vom spanischen ins französische Baskenland. Über den Kamm kommen erst Wolken und Frankreich auf der anderen Seite hüllt sich dann in dicken Nebel. Wir hören die Glocken der Tiere aus dem grauen Nichts, doch nur selten könne wir eines der halbwilden Pferde oder dieser zotteligen Schäfchen sehen, geschweige denn diese herrliche Landschaft. Im Tal regnet es dann heftig.
Auf dem letzten Pass hat unser Großer dann beschlossen, einfach nicht mehr zu schalten. Nicht mit seiner Automatik. Nicht manuell – und leider auch nicht mehr nach einem Reset…
Aber er ist tapfer im Notlaufprogramm die 60 Kilometer bis nach Bayonne zum nächsten Sternchentruckservice gehumpelt.
Da wussten wir noch nicht, dass das nur der Anfang unseres langen, sehr langsamen Heimweges war…
So etwas passiert natürlich am Samstag.
Die Männer in der Werkstatt haben dann am Montag rausgefunden, dass das Steuergerät vom Getriebe nicht richtig funktioniert. Fatalerweise tritt der Fehler mal auf und drosselt den Motor ins Notlaufprogramm, mal nicht – ist so schwer greifbar. Dieses Steuergerät ist bei unserem Großen in der Oelwanne verbaut, also richtig gut erreichbar. Es müsste ausgebaut, nach Deutschland eingeschickt, dort geprüft und entweder repariert oder ein Neues gesandt werden. Wie lange das dauern würde, kann uns keiner verlässlich sagen (wir haben noch 14 Tage, bis wir wieder arbeiten müssen). – Übrigens: Die letzte unserer 10 Postkarten, die wir in Bayonne eingesteckt hatten, kam 9 Wochen nachdem wir wieder zu Hause waren, an… – Das hat uns im Nachhinein bestätigt, dass unsere Entscheidung, im Notlaufprogramm nach Hause zu humpeln, absolut richtig war!
Wir beraten uns also mit den Fachleuten in Bayonne und nachdem sie uns bestätigt haben, dass durch ein langes Fahren im Notlauf nicht noch mehr kaputt gehen würde, haben wir uns auf den Weg gemacht. – 7 Tage und 23 Stunden später sind wir nach etwa 1800 Kilometern alle Drei endlich wieder gut zu Hause angekommen…
Un grand merci encore une fois aux hommes de Bayonne qui ont repéré l’erreur avec beaucoup de patience – et dans des conditions plus qu’équitables !
Ein großer Dank geht hier noch einmal an die Männer in Bayonne, die mit Engelsgeduld dem Fehler nachgespürt haben – und das zu mehr als fairen Konditionen!
Mercedes-Benz Utilitaires Bayonne, 24 Avenue du Maréchal Juin 64100 Bayonne
Unterwegs gab es manch Schönes noch zu sehen, wenn wir auch nicht wirklich Augen dafür hatten.
Denn Autobahnen kann man im Navi ausschließen, aber es will einen hartnäckig auf die großen Nationalstraßen schicken. Also navigieren mit der Karte auf den Beinen und einen Weg auf kleinen Nebenstraßen suchen, auf denen wir mit unseren unglaublichen 40 Stundenkilometern nicht gar so ein Hindernis sind.
Gemein ist dabei nur, wenn Umleitungen vor einer Brücke enden, die über 3,5 Tonnen gesperrt ist. Oder in eine Nationalstraße münden. Oder vor einem Kanal – ohne Brücke, die eingezeichnet ist. Und Ballungszentren sind so zum Haareraufen…
Aber: Wir sind zu Dritt losgefahren und wir sind zu Dritt nach Hause gekommen!
Anderthalb Tage später war unser Großer wieder fit 😉 – und wir wollen diese Reise entlang Westeuropas Küsten 2024 zu Ende bringen.